Beschreibung
Aus den Medien:
Am 14. August 2024 erschien der neue Band der Nordhäuser „Gelben Reihe“ mit dem Titel „Nordhausen am Reichshofrat / Regesten“. Autor Dr. Kevin Hecken und Herausgeber Dr. Stephan Wendehorst (Universität Wien) stellten das Werk im Rahmen der öffentlichen Buchpräsentation in Nordhausen vor. Stiftungsvorstand Dr. Helge Wittmann würdigte in seinem Grußwort die geleistete wissenschaftliche Arbeit und stellte deren hohen Rang für die Stadtgeschichte Nordhausens heraus. Der Band dokumentiert die Ergebnisse des von der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung ermöglichten Erschließungsprojekts zu den Nordhäuser Rechtsstreitigkeiten vor dem Wiener Reichshofrat von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1802. Erschienen ist das Buch im Verlag Iffland Nordhausen.
Aus dem Buch:
190 Aktenstücke sind es, die der vorliegende Band in Regestenform bringt und damit, abgesehen von den in den vergangenen Jahren bereits durch die Kollegen des Göttinger Projektes verzeichneten Aktenstücken, erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Jedes dieser Verfahren enthält ein Gesuch um die Erteilung von Gunst, von Gnade oder von Gerechtigkeit, die vom Römischen Kaiser als Haupt des Heiligen Römischen Reiches, als oberstem Lehnsherren und Hüter des Rechts, nicht nur erwartet, sondern formell beantragt werden konnte. Es galt dies insbesondere für die Einwohner von Städten wie Nordhausen, die einzig ihm, dem Kaiser, und keinem der die Mauern umlagernden Fürsten untertan, die also ‚reichsunmittelbar‘ waren. Emblematisch ist in diesem Sinne zu nennen, dass sich in den Nordhäuser Reichshofratsverfahren Privilegien und Mandate von Heinrich dem Vogler († 936, Nr. 189) bis zu Franz II. († 1835, Nr. 99) finden, vom ersten also bis zum letzten Herren des Heiligen Römischen Reiches und damit Zeugnisse von über 800 Jahren deutscher Lehens-, Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte. Die Institution, durch die der Kaiser auf diese Weise mit dem Reich in soziale Beziehung trat, war – unter anderem – der Reichshofrat, dessen hauptsächliche Aufgaben einerseits in der Rechtsprechung, andererseits in der Befriedigung gratialer und lehensrechtlicher Bedürfnisse bestand. Dass es wenigstens prinzipiell, unter bestimmte Umständen, selbst dem Geringsten unter den Untertanen des Kaisers freistand, auch noch die Mächtigsten des Reiches zu belangen, dass diese Möglichkeit auch rechtlich marginalisierten Gruppen wie Frauen oder Juden zustand und dass dies letztlich, wie eine sechsstellige Zahl an Aktenstücken im Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien belegt, auch geschah, ist eines der gerade im internationalen Vergleich allzu oft unterschätzten ‚modernen‘ Eigenschaften des Heiligen Römischen Reiches, dem nach wie vor das aus dem 19. Jahrhundert ererbte Bild eines unflexiblen, reformunfähigen und verknöcherten Gebildes anhängt. 190 Aktenstücke bedeuten zugleich 190 Einblicke in die Nordhäuser Gesellschaft ihrer Tage, in die Handlungen der wichtigsten Akteure, die bedeutendsten Probleme, die schwersten Konflikte ihrer Zeit. Zugleich jedoch eröffnen sie dem modernen Betrachter ein Fenster in die kleinen, alltäglichen Schwierigkeiten von Reich und Arm, Etabliert und Prekär, Jung und Alt. Welcher Zorn mag in den Handwerkern der Stadt aufgewallt sein, da der preußische Stadtschultheiß den Sohn eines einfachen Schweinschneiders den Weg in eine der renommierten ratsfähigen Gilden zu öffnen versuchte? Wovon sollte ein Apotheker leben, dem von der Stadt die Pacht aufgekündigt und der mit Kind und Kegel, seinen Medikamenten und im wortwörtlichen Sinne auf die Straße gesetzt wurde? Wie mögen sich die Senatoren der Stadt gefühlt haben, da sie voll Besorgnis auf die leeren Stadtkassen und die leere Ratsbierstube blickten, während die Kanoniker des Heiligkreuzstiftes in den vollen Zechstuben ihrer Stiftshäuser Tag für Tag das Geschäft ihres Lebens mit günstigem, weil vom Mahlpfenning befreiten, Bier machten? Diese und viele weitere Perspektiven eröffnet eine Beschäftigung mit den Nordhäuser Verfahren. Zugleich bieten sie Anlass für Psycho- und Soziogramme: Wir begegnen in ihnen einzigartigen Persönlichkeiten, wie dem streitbaren Bürgermeister Johann Andreas Sigismund Wilde, der die Stadt an Reichskammergericht und Reichshofrat mit Prozessen in einem Ausmaß überzog, dass selbst der sonst so nüchterne Hans Silberborth ihn vor beinahe 100 Jahren als ‚Prozeßhansl‘ bezeichnen musste. ….
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